Montag, 19. März 2007

Traumtagebuch I

Traum vom 18. März: [in letzter Zeit dreht sich mein nächtliches Erleben öfter um verschiedene Arten des Sterbens].

Ich bin unterwegs mit einer Gruppe ehemaliger Schulkameraden - was wir uns ansehen wollen ist eigentlich irrelevant, ich erinnere mich auch nicht mehr. Unter den Leuten sind einige, die ich nicht kenne, zb das schlanke, zerbrechlich wirkende Mädchen mit den langen, braunen Haaren. Ich weiß, dass jemand sterben wird und dass ich etwas dagegen unternehmen sollte, dass nur ich etwas dagegen unternehmen kann.
Wir laufen über die Straße, jemand spricht mit mir - ich kenne ihn, wer ist es? - das merkwürdige, flatternde Gefühl in meiner Magengegend wird stärker. Dann drehe ich mich um und sehe das Mädchen als letzte über die Straße gehen, in die plötzlich Schienen eingelassen sind. Der mattglänzende Asphalt verliert seine Farbe und wird zu Erde.
Mit einer grazilen Bewegung dreht sich das Mädchen einmal um die Achse und fällt dann besinnungslos zu Boden. Ich bin nicht einmal erstaunt, wusste ja schon lange zuvor, was passieren würde - ich laufe zu ihr, hebe sie auf - sie ist ganz leicht - und wiege sie in meinen Armen. Nach ein paar Sekunden fängt sie an zu keuchen, offensichtlich ist sie noch am Leben. Meine Freunde tauchen neben mir auf, aber ich nehme sie nur ganz verschwommen wahr.
Der Verstand setzt nun wieder ein und ich erinnere mich an den Erste Hilfe Kurs, den ich letztes Jahr erneut gemacht habe... was muss ich tun?
Da öffnet sie die Augen und sieht mich an. Ich weiß nicht, ob sie bei Bewusstsein ist, aber der Blick geht mir durch Mark und Bein. Ihre Augen haben das tiefste Blau, das ich je gesehen habe, und es liegt unendlich viel Trost darin. Ich murmle ein paar Worte, an die verschwommenen Gestalten um mich herum gerichtet.
Über der Szenerie liegt ein beinah undurchsichtiger Schleier, ich bin traurig und doch glücklich, während sie in meinen Armen liegt und stirbt (das Gefäß in ihrem Gehirn ist geplatzt).
Ich drehe sie auf den Bauch, sodass ich ihr Gesicht nicht mehr sehe, und lausche ihrem Atem. Dann nehme ich ein Buch aus meinem Rucksack und beginne, ihr daraus vorzulesen, weil ich glaube, dass es sie beruhigen könnte. Merkwürdigerweise ist es Virginia Woolfs "Orlando", das in perfekter Weise die beinah friedliche, transzendente Stimmung dieser Minuten in Worte zu fassen vermag.
Nachdem ich den Absatz fertiggelesen habe, drehe ich sie sanft wieder um. Ihre Augen sind noch offen, auch das Blau hat nichts von seiner Stärke und seinem Ausdruck verloren, und doch weiß ich in dem Moment, dass sie tot ist.
Ich stehe auf. Ein alter Schulfreund kommt an meine Seite und erzählt mir, dass er gestern abend noch mit ihr gegessen hat. Die Traurigkeit ist vollends verflogen, auch in seiner Stimme merke ich nichts davon.

Die Erinnerung an diesen Traum blieb heute den ganzen Tag über ungewöhnlich klar, ebenso wie das Gefühl, das ich in dem Moment hatte, als das Mädchen starb.
Ich frage mich, was mir durch sie gezeigt werden sollte, welcher Teil von mir sie war - ihr Tod geht mir nahe, und doch macht er mich nicht unglücklich.
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